In einer Welt, in der Menschen mit Migrationserfahrung oft Hürden auf dem Weg zu ihrer beruflichen Integration überwinden müssen, stehen besonders Frauen vor großen Herausforderungen. Noch immer sind sie laut dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialen am Arbeitsmarkt und in Qualifizierungsmaßnahmen stark unterrepräsentiert.
An diesem Punkt setzt das Projekt MY TURN gezielt an. Das Angebot eröffnet Frauen mit Migrationserfahrung neue berufliche Perspektiven, die aufgrund fehlender Ausbildungen oder nicht anerkannter Abschlüsse als formal geringqualifiziert gelten. Doch MY TURN bietet nicht nur den Zugang zu Bildung und beruflicher Integration, sondern legt auch großen Wert auf eine persönliche und vertrauensvolle Unterstützung.
Das Projekt MY TURN wird im Rahmen des Programmes „MY TURN - Frauen mit Migrationserfahrung starten durch“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert. Mithilfe des ESF Plus wird Menschen dabei geholfen werden, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die einzelnen Förderprogramme des Fonds werden von lokalen Projekten und Institutionen angeboten.
Seit Anfang 2023 gibt es MY TURN im AWO-Mehrgenerationenhaus in Landsberg am Lech und im Kreisverband Rosenheim. Die Frauen werden größtenteils über das Jobcenter auf das Projekt aufmerksam und über Empfehlungen von anderen Teilnehmerinnen. In Rosenheim erfahren die Frauen auch dank der Zusammenarbeit mit anderen Stellen von dem Angebot, wie zum Beispiel dem Sozialdienst katholischer Frauen e.V. oder der Caritas.
Angebote: individuell und flexibel
„Vor dem eigentlichen Start des Programms ist ein erstes Kennenlernen besonders wichtig“, betont Cornelia Kurz. Sie ist die Projektkoordinatorin von MY TURN in Landsberg. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Petra Dürbeck und der Einrichtungsleiterin Betina Ahmadyar kümmert sie sich um die Umsetzung von MY TURN. Im Erstgespräch erhalten die Expertinnen Einblicke in die Situation der Klientinnen, ihre Ziele und Herausforderungen. Aufgrund der individuellen Lebensgeschichte wird jede Frau entsprechend ihrer Präferenzen und Bedürfnisse begleitet. Es gibt Gruppenangebote und Einzelberatungen. MY TURN ist ein Projekt, an dem die Frauen freiwillig teilnehmen. Lizzie McCarthy, die mit ihren drei Kolleg*innen in Rosenheim das Projekt umsetzt, betont die hohe Flexibilität von MY TURN: „Wir können Frauen in jedem Schritt ihres Prozesses unterstützen, sei es auf dem Weg zur Ausbildung, während der Ausbildung oder beim Einstieg in die Arbeitswelt.“ Die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Klientinnen sei ein Schlüsselaspekt des Projekts.
Schritt für Schritt zu mehr Teilhabe
MY TURN bietet verschiedene Module an, um die Chancen der Klientinnen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die Vermittlung von Sprachkenntnissen hat dabei eine hohe Priorität. Schließlich sei es laut Cornelia Kurz sehr wichtig, dass die Teilnehmerinnen ihre Deutschkenntnisse verbessern. Dadurch sollen sie sich möglichst schnell in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt integrieren können.
Neben der Vermittlung von Sprachkenntnissen nehmen sogenannte Empowerment-Aktivität einen großen Raum ein. Dieses Modul ist bedeutsam, um das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken und ihre Fachkompetenzen in den Vordergrund zu stellen. Den Teilnehmerinnen werden Basiskompetenzen für die berufliche Entwicklung vermittelt, darunter insbesondere digitale Kompetenzen. Hierfür stehen beispielsweise Computerkurse zur Verfügung, die in Rosenheim ausschließlich von Ehrenamtlichen geleitet werden.
Die Teilnehmerinnen können außerdem gemeinsam mit den Expert*innen Bewerbungsmaterialien erstellen und mithilfe von Rollenspielen ein Bewerbungsgespräch üben. Mit all diesen Aktivitäten sollen die Frauen mehr Chancen haben, an gesellschaftlich üblichen Abläufen teilhaben zu können.
Erfahrungen im Job sammeln
Das Projekt umfasst auch ein Praktikums-Modul, mit dem die Frauen verschiedene Branchen kennenlernen und herausfinden können, welcher Beruf zu ihnen passen könnte. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Branchen – darunter Gastronomie, Kindergärten, Einzelhandel und Reinigungsunternehmen – eröffnet ihnen vielfältige Möglichkeiten, ein Praktikum zu machen und Berufserfahrung zu sammeln.
So konnte eine Teilnehmerin nach Abschluss ihres Praktikums in einem Seniorenwohnheim ihre Ausbildung anfangen. Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Cornelia Kurz erzählt, dass vielen Frauen über ein Praktikum der Einstieg in die Berufstätigkeit gelingt. Für Frauen mit Kindern gibt es zudem ein Modul, das sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fokussiert. Mithilfe eines individuellen Beratungs- und Unterstützungsangebots werden den Klientinnen beispielsweise unterschiedliche Teilzeitarbeitsmodelle gezeigt, die eine Teilhabe am Erwerbsleben ermöglichen. Dadurch sollen gleichberechtige Erwerbschancen beider Elternteile nachhaltig etabliert werden.
Außerdem gibt es in diesem Bereich das Modul „Lotsenstelle Kinderbetreuung“, bei dem die Unterstützung von Müttern bei der Suche und Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Fokus stehen.
Vielfältige Herausforderungen
Die verschiedenen Module von MY TURN sind auch ein Stück weit eine Antwort auf die verschiedenen Herausforderungen, mit denen die Teilnehmerinnen konfrontiert werden. Die Sprachbarriere zählt dabei mit zu den größten Herausforderungen. Für manche stellt aber auch die Orientierung im neuen Alltag eine hohe Hürde dar, besonders mit Hinblick auf das bürokratische System, wenn es beispielsweise um die Anerkennung von Zeugnissen geht.
Das Projekt bietet deshalb nicht nur verschiedene Kurse an, sondern auch Beratungen zu verschiedenen Lebensbereichen. Dafür sei es laut Betina Ahmadyar wichtig, dass die Frauen sich bei ihnen wohlfühlen. Die Einrichtungsleitung betont deshalb die Bedeutsamkeit einer guten persönlichen Beziehung und die Vertrauensbildung zu den Klientinnen.
Das WIR-Gefühl stärken
Neben den verschiedenen Modulen gibt es auch Gemeinschaftsaktivitäten. So haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich zu vernetzen und ihren neuen Lebensort kennenzulernen. In Landsberg gab es zum Beispiel schon mehrere Stadtführungen und in Rosenheim unter anderem einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt sowie regelmäßig Frühstückstreffen. Durch solche gemeinsamen Erlebnisse kann auch eine nachhaltige Vernetzung zwischen Teilnehmerinnen und Expert*innen gelingen. „Viele Frauen kommen auch selbst nach Abschluss des Projekts immer wieder zu uns. Das ist schon etwas Besonderes“, erzählt Cornelia Kurz.
Positive Resonanz der Teilnehmerinnen
Mit einem klaren Fokus auf individuelle Betreuung, praxisorientierten Modulen und enger Zusammenarbeit mit regionalen Arbeitgebern schafft MY TURN ein einzigartiges Angebot. Die hohen Teilnehmerzahlen und das positive Feedback der Frauen zeigen den Erfolg des Pro- jekts. Zum jetzigen Stand ist die Laufzeit von MY TURN bis Ende 2029 angelegt. Die Expertinnen aus Landsberg und Rosenheim hoffen daher, dass sie das Angebot möglichst lange anbieten können. Projekte wie diese sind entscheidend, um Frauen mit Migrationserfahrung bestmöglich auf ihrem individuellen Weg in die gesellschaftliche und berufliche Integration zu begleiten.
Sabrina Huber
Fotos: Mehrgenerationenhaus Landsberg am Lech und Kreisverband Rosenheim
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